15.06.16 Rumänien – Schweiz 1:1 (EURO 2016, Paris)
Nachdem wir nach unserer TGV-Nacht mal geschmeidig bis mittags geschlafen hatten, war am dritten Tag unseres Paris-Aufenthalts dann auch mal Zeit für etwas Sightseeing. Tourifoto am Arc de Triomphe, mit einem Fläschchen Kronenbourg den Champs Elysees hinunter flaniert und sich am Place de la Concorde einen Crepes gegönnt. Das reichte dann aber auch an Kultur, es stand endlich wieder Fußball auf dem Programm. Mit der Metro ging es zum Prinzenpark – wohlgemerkt auf Umwegen. Kann ja auch keiner ahnen, dass die Haltestellen „Pont de St. Cloud“ und „Porte de St. Cloud“ fußläufig relativ weit auseinander liegen. Beim Aufstieg aus dem Untergrund war ich dann ziemlich angetan vom Stadionumfeld: Sehr zentral gelegen, inmitten von den Paris-typischen Altbauten und von vielen Brasserien umgeben, die natürlich fest in der Hand von Schweizern und Rumänen waren. In Punkto Lage für mich das beste Stadion der gesamten EURO, das schon mal vorweggenommen.
Ebenfalls rekordverdächtig die Dauer der Einlasskontrollen am heutigen Tag. Ich glaube, es waren insgesamt fünf Kontrollpunkte, und vor allem der Einlass in den direkten Stadionumlauf zog sich ewig hin, was in der dicht gedrängten, in der Sonne stehenden Menschenmasse mehr und mehr für Unruhe sorgte. Es hätte nicht viel gefehlt glaube ich, und die Ordner hätten die Quittung für ihre Unfähigkeit und Arroganz bekommen.
Durch die Dauer der Kontrollen schafften wir es wieder erst wenige Minuten vor Spielbeginn, unsere Plätze einzunehmen. Von innen wirkt der Parc de Princes ein bisschen wie das alte Müngersdorfer Stadion, was keineswegs negativ gemeint ist. Eben schon ein paar Jährchen auf dem Buckel das gute Stück (1897 erbaut, 1972 komplett umgebaut, seitdem diverse Male renoviert), was man auch am Abstand der Sitzreihen merkt. Zum Glück war die Reihe vor uns komplett frei, sonst hätte ich meine Knie dem Vordermann schön in den Nacken gedrückt.
Von unseren Plätzen am linken Rand der Haupttribüne hatten wir in der 18. Minute dann beste Sicht auf das Halten von Lichtsteiner gegen einen rumänischen Angreifer, das korrekterweise mit einem Elfmeter geahndet wurde. Stancu verwandelte diesen wie schon gegen die Franzosen im Eröffnungsspiel eiskalt und brachte damit die anwesenden Rumänen erstmals in Wallung. Ich würde auf ca. 8000 – 9000 Mitgereiste tippen, und neben all den Trikotträgern waren insgesamt auch ca. 100 schwarzgekleidete Jungs erkennbar, die sich interessanterweise in zwei Gruppen aufteilten. Ungefähr 50 Leute im Oberrang hinter der „Uniti Sub Tricolor“-Fahne und eine ähnliche große Gruppe zentral hinter dem Tor, die ich ihren Fahnen nach zu urteilen Dinamo Bukarest zuordnen würde. Ganz tief im Hinterkopf hab ich Bilder von einem Qualiheimspiel der Rumänen, wo es innerhalb der eigenen Fans gekracht hat, was mit den Verhältnissen in Paris zusammenpassen könnte, aber eine kurze Google-Recherche konnte hier nicht weiterhelfen. Sollte einer der Leser für Aufklärung sorgen können, würde ich mich sehr freuen. Supportet wurde aber immerhin zusammen, trotzdem fand ich den rumänischen Auftritt insgesamt ziemlich eintönig, da hatte ich mir doch einiges mehr erhofft.
Ein ähnlich schlechtes Zeugnis muss man leider auch den ca. 15.000 Fans der Eidgenossen ausstellen, die es aber immerhin schafften, mir einen feinen Ohrwurm zu verpassen. Kurz nach der Halbzeit wurde das Basler Sturmtalent Breel Embolo eingewechselt, dem die Schweizer Fans einen eigenen Gesang auf die Melodie von „The lion sleeps tonight“ gewidmet haben: „In der Nati, der Schwitzer Nati, da isch der Breel daheim – Oh Embolo, Oh Embolo..“. Wunderbar!
Sportlich war der Frühabend auch nicht wirklich unterhaltsam. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich Ende der ersten Halbzeit kurz weggenickt bin. Die Schweizer nach der rumänischen Führung erwartungsgemäß überlegen, aber mit relativ wenigen wirklich zwingenden Möglichkeiten. Der Ausgleich sollte dennoch gelingen, der Leverkusener Mehmedi traf per sehenswertem Fernschuss zum 1:1. Mehr brachten die favorisierten und von mir durchaus hochgehandelten Schweizer aber nicht mehr zu Stande und so blieb es nach 90 Minuten beim Unentschieden.
Für das 21:00-Uhr Spiel zwischen den Franzosen und Albanien in Marseille visierten wir dann das Fanfest am Eifelturm an. Per Metro ging es in die Richtung, die restlichen 2 Kilometer wurden dann per pedes in der Abendsonne absolviert. Erwartungsgemäß war vor Ort natürlich die Hölle los und die Kontrollen ziemlich penibel, sodass wir die Marseillaise wartend in einer Schlange inmitten von vornehmlich jungen Franzosen erlebten. Hatte auch was. Zur 20. Minute schafften wir es dann rein und es hatte schon Flair, das Spiel auf Leinwand mit Eifelturm im Hintergrund zu schauen. Nervig hingegen die kompletten UEFA-gebrandeten Fressstände, an denen es die gleichen Produkte wie im Stadion, allerdings nur gegen Bezahlkarte gab. Immerhin wurde Carlsberg mit Bumms ausgeschenkt.
Der Equipe Tricolore sollten nach energischem Anrennen gegen tapfere Albaner letztlich noch zwei Treffer in der Nachspielzeit gelingen, was die Franzosen zum Ausrasten und den Eifelturm zum Leuchten in den Nationalfarben brachte. Wir sahen uns das Treiben noch ein wenig an und packten es dann in Richtung Metro. Von einigen anderen Kölnern wurde uns ein Studenten-Pub im Chatelet-Viertel empfohlen, dem wir noch einen Besuch abstatten wollten.
Auf dem Weg dorthin setzte es aber noch einen Adrenalin-Kick allererster Güte, als plötzlich rund 15 zugekokste Ostblock-Module zu uns in die Metro stiegen, die wir dank ihrer Gesänge und Tattoos relativ schnell als Cracovia Krakau-Anhänger identifizierten. Es dauerte nicht lange, bis einer der sympathischen Herrn auf den Haie-Linti aufmerksam wurde und ihn mit der Gretchenfrage „Where are you from?“ konfrontierte. Glücklicherweise hatte er die selbe Exit-Strategie wie ich im Kopf und antwortete wie aus der Pistole geschossen mit „Switzerland“. Die Blicke der umstehenden Schweizer, die uns Minuten vorher noch im besten kölschen Akzent hatten sprechen hören, waren unbezahlbar, glücklicherweise blieben sie aber – wie man es von ihnen kennt – zurückhaltend und neutral. Bei den interessierten Nachfragen des Polen nach Resultat des heutigen Spiels und nächstem Gegner und Spielort der Schwitzer Nati geriet der Linti zwar etwas ins Schwimmen, doch das bemerkte sein Gesprächspartner glücklicherweise nicht. Vielmehr wurde eindringlich vermittelt, dass man morgen den „fucking Germans“ in den Arsch treten werde und Revanche nehmen wird für den „second world war“. Nach zwei weiteren U-Bahn-Stationen war das lebhafte Zwiegespräch durch unseren Ausstieg dann glücklicherweise unbeschadet beendet. Auf den Schock wurde im Anschluss anständig gezapft, ehe wir gegen 03:00 Uhr per Taxi den Heimweg in unser Domizil antraten.